1) Holzbacher Beereflaare
Ein Obstkuchen, der in früheren Zeiten in keinem Hunsrücker Bauernhaus fehlte, wurde besonders viel und häufig in Holzbach gebacken und hat damit den Holzbachern zu einem Beinamen verholfen.
Der Beereflaare: Er ist ein Belag für einen Hefekuchen, hergestellt aus getrockneten Birnen. Im Herbst, wenn die reich Obsternte auch genügend Birnen brachte, konnte nicht alles Obst sofort verwendet werden. Besonders Birnen haben nur eine geringe Lagerzeit und halten sich, wenn sie ausgereift sind nicht lange. Deshalb wurde sie getrocknet. Die früheren Wirtschaftssorten waren nicht so saftig wie unsere heutigen Tafelsorten und eigneten sich hervorragend fürs Trocknen im Backofen.
Die Faatzbeere war wohl die bekannteste Sorte hierfür. Dies geschah hauptsächlich zu Zeiten, als noch Brot und der Kuchen im Gemeindebackes gebacken wurde. Nach dem eigentlichen Backen war noch so viel Restwärme vorhanden, das die halbierten Birnen über Nacht auf speziellen Gestellen zum Trocknen in den Ofen geschoben werden konnten. Nach mehrmaligem Trocknen im Backofen waren dann die Birnen haltbar. Hatten sie die richtige Bräune war die Trocknung abgeschlossen. Dies ergab dann nachher den besonderen Geschmack. Die Birnenschnitzel wurden anschließend in einem Leinensäckchen auf den Speicher oder einem anderen trockenen Raum hängend aufbewahrt, bis sie gebraucht wurden.
Später würde dies auch in den Haushalten praktiziert, besonders bei den Küchenöfen mit festen Brennstoffen, da auch hier Restwärme genutzt werden konnte.
Rezept für einen Beereflaare:
Einige Stunden vor der Zubereitung die getrockneten Birnen einweichen,
dann im Kochtopf weich kochen, durch ein Sieb schlagen und anschließend fein pürieren.
Zutaten für einen runden Kuchen mit etwa 30 cm Durchmesser:
- 8 El Birnenmus
- 2 Päckchen Vanillzucker
- 3 Tropfen Anisöl
- 2-3 El Zucker
- 4-6 El Rotwein je nach Geschmacksrichtung und Mussteife (Mus muß schwer „reisen“)
- 1 Tl Anispulver
- 1 Messerspitze Nelken
- 1 „Schuß“ Birnenschnaps (kann hinzugegeben werden)
Dieses Mus wird dann ca. 2 cm dick auf einem bis zu 1 cm dicken Hefeteig aufgetragen. Mit einer Gabel werden dann Muster auf das Mus gezogen und der Kuchen heute bei 220°C etwa eine Stunde gebacken.
2) Das Holzbacher Osternest
In Holzbach ist es Tradition das die Kinder im Dorf bei Bekannten oder Freunden am Oster-Samstag ein Nest für "ein" Osterei machen.
Wurden in der Vergangenheit die Nester noch aus Heu, dass die Holzbacher durch die Landwirtschaft genügend zur Verfügung hatten, geformt, so kommt heute zum größten Teil die gekaufte grün gefärbte Holzwolle zum Einsatz.
Aber auch Moos dient als geeignetes Material um ein Osternest zu "bauen".
Wie mit der Zeit ein anderes Material zum Nesterbau verwendet wird, so findet das Kind auch nicht wie ganz früher nur ein rohes Ei, sondern viele Schokoeier und auch manche Sachen im Osternest, auf die früher keiner gekommen wäre. Wobei ein gekochtes und gefärbtes Ei vom Osterhasen dann doch immer noch zu finden ist.
Für die Kinder und die Erwachsenen ist dies eine schöne Sache, da die Kinder zum Teil durch das ganze Dorf marschieren um zuerst das Osternest zu fertigen und am Ostersonntag wird dann mit dem Ostergruß der Kinder das Nest, das der Osterhase gefüllt hat, wieder geleert.
Nicht selten kommt es vor, dass die Kinder mehrmals zuhause zum entleeren des Osterkörbchens vorbeikommen müssen, um die gesammelten Eier und Süßigkeiten abzuliefern, damit im Körbchen wieder Platz für die noch zu entleerenden Nester ist.
Eine Tradition, die es in dieser Form nicht in vielen Hunsrückdörfern zu finden gibt.
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3) Das "Maje"
Wer heute glaubt, er könne nicht mehr ohne Fernsehen, Disco usw. auskommen, der sollte sich von den älteren Holzbachern „emaol verziehle losse“ von jenen Zeiten, als man noch miteinander geschwätz hot“, als noch gemajt“ wurde.
Abends, wenn die Tagesarbeit geschafft war, und besonders wenn die langen Winterabende heranzogen, wenn „Galles“ (16. Oktober), das heißt, wenn die „Hauptaarwed geschafft“ war, die Ernte in den Scheunen, die Wagen abgeschlagen und im Hauloch“ verschwunden war, dann traf man sich zum Majen. Entweder ging man „iewer die Stroß“in die „Noberschaft“ oder „Bricke-Willi“ oder „dä Koordevetter“ kam zu uns ins Haus. „Un dann is iewer alles Mieleiche geschwätzt unn verziehlt wor, vum Weere, vum Ehre, vunn dä Arwed im Fell unn im Stall, vumm Vieh, wer in Kalleb krieht hot, ore noch äns se kriehe hot“.
Aber am allerinteressantesten war es, wenn „vum Kriech verziehlt wor is!“
Lassen wir uns erzählen:
Das waren Abende, die möchte ich in meinem Leben nicht missen. Die Frauen haben gesponnen, gestrickt oder irgendeine Haus- und Handarbeit verrichtet, und wir Kinder durften zuhören, was so alles „veriehlt wor is“.
Dazu muß man wissen, wie die alten Bauerhäuser früher gebaut waren. Die – meist unverschlossene – Haustür konnte man ungehindert passieren, dann kam der Hausflur, auch „Housgang“ genannt, der geradeaus zur Küche führte. In diesem Hausgang war aber auch das mit Brettern verschalte „Treppehous“, in diesem befand sich die Treppe, die zum „iewerschte Stock“ zu den „iewerschte Stuhe“ führte.
Vom „Housgang“ konnte man – je nach Anordnung – links oder rechts in die „guud Stuh“ (Wohnzimmer) oder in die „Nääwestuh“ gelangen.
An den langen Winterabenden wurde meist nur die „Nääwestuh“ mittels eines „Dauerbrenners“ geheizt, und nur „iewer Wäihnachte unn Noujohr“ war auch die „guud Stuh“ gewärmt.
So saßen wir dann inder „Nääwestuh“ und durften der regen Unterhaltung still zuhören. In dieser „Nääwestuh“ stand bei uns ein „einschläfriges“ Bett, was sehr vorteilhaft war, hatte ich genug „geloustert“, so konnte ich einfach ins „mollich-waarme“ Bett hupsen.
Dieses Bild entstand im Wohnzimmer von Peter Augustin in Holzbach, also an „Griesangs“. Die „Määremaj“ war im Winter eine Möglichkeit, einmal im warmen Zimmer zu sitzen und zudem in der Nähe von jungen Menschen zu sein. Die Mädchen beschäftigten sich mit irgendeiner Handarbeit. In dieser Zeit nahmen nur noch wenige Mädchen das Spinnrad mit in die Mai, um die eingene Schafswolle zu spinnen. Die Jungen schauten den Mädchen bei der Arbeit zu und sorgten gleichzeitig für die Unterhaltung. Auf diese Artwar es möglich, die Dorfneuigkeiten in Erfahrung zu bringen. Oder aber diese möglichst spannend weiter in Umlauf zu bringen. Doch besonders interssant wurde es, wenn zu später Stunde die Mädchen nach Hause gingen. Selbstverständlich ging man gemeinsam, aber bei jedem „Gunnaachd“ wurde die Zahl kleiner und wer weiß, ob es Zufall war oder Absicht, vielleicht benötigte gerade eine bestimmte Person noch einen starken Begleiter, der ihr den „Groul“ abhalten sollte.
Besonders schön war es in der Weihnachtszeit, wenn das erste „Zuckerbackes“ gebacken wurde. Manchmal hat´s bis Weihnachten gereicht, oft aber auch nicht, da wir Kinder verbotenerweise uns öfters Plätzchen „stibitzten“. Also wurden sie in der verschlossenen Kommodenschublade versteckt. Doch die darüberliegende Schublade konnte man einfach herausnehmen und schon war man an den Köstlichkeiten.
Beim Majen wurde nicht nur „verziehlt“, öfter und auf unser Drängen, haben wir auch Spiele gemacht. „Mesch ärgere Dich nicht“, „Halma“, „Dame“ und nicht selten „Elfer raus“. Noch heute bin ich dem „Brickemielersch-Patt“ dankbar, daß er Zeit, Geduld und eine große Geschicklichkeit aufbrachte, wenn er bereit war, mit „Räänganse-Kinn“ zu spielen.
Für uns Kinder waren diese Abende viel zu kurz, da wir doch früher ins Bett mussten, damit die „Alten“ sich einmal ungestört unterhalten konnten. Doch auf die Winterabende habe ich mich das ganze Jahr über gefreut und sie sehr genossen. Im Sommer herrschte ja von frühmorgens bis spätabends – oft bis in die späte Nacht – Hochbetrieb, aber die Winterzeit war zum Kräftesammeln.
Diese Abende hatten aber auch einen praktischen Sinn. Man sparte – indem man sich gegenseitig besuchte – zuhause Holz für´s Feuer und Strom für´s Licht.
Gegegn 10 Uhr wurde dann „dä Faarem abgeschnied“, was so viel bedeuten sollte, daß alleArbeit, die während des Majens noch gemacht wurde, aufhören und es zum gemütlichen Teil übergehen sollte. Wen wir Besuch hatten, z.B. von „Schlammpertz“, so konnte es sein, daß diese das „Heimgehen“ vergaßen, dann musste folgendes gemacht werden: Zunächst ließ man einfach das Feuer ausgehen, es wurde also nicht mehr gescheerd“,zusätzlich machte man noch eine Tür etwas auf, damit es kühler wurde, wenn das auch nichts half, wurde die Uhr aufgezogen und die Katze nach draußen gejagt. Bei ganz Hartnäckigen schraubte man einfach die Sicherung heraus.
Holzbacher Spinnstube – In den 30er Jahren ließ man die alten Spinnstuben wiederaufleben, dabei wurde auch die alte Hunsrücker Tracht neu entdeckt.
Quelle: Holzbacher Verziehlscher von November 1994
Redaktion: Bert Baden, Gottfried Heß, Werner Lechtenfeld, Reinhard Scherer, Wilfried Theiß
Herausgeber: Evangelisches Erwachsenenbildungswerk Rheinland-Süd, Simmern sowie Evangelische Kirchengemeinde Holzbach